Das uralte Kulturland
Die jüngere Generation denkt bei Äthiopien möglicherweise an Afrika und damit an rückständiges Elend. Die ältere Generation kann sich vermutlich noch an einige Schlagzeilen erinnern, die genau das belegen. Das Land ist arm, die Bevölkerungszahlen gehen durch die Decke und es gibt viel, was die Einheimischen dringend in den Griff kriegen müssen. Dabei ist das aber nur eine Phase in der Geschichte von dem Land, dem die Menschheit entspringt, welches schon vor 3000 Jahren ein Kulturland war und während dieser ganzen Zeit blieb. Es ist das Land, welches früh jüdischen Einflüssen ausgesetzt war, welches dadurch gerne zum Christentum konvertierte und die ersten muslimischen Flüchtlinge aufnahm. Äthiopien ist das einzige Land weltweit, wo der Islam nicht mit dem Schwert kam. Wein kennt man in Äthiopien hingegen erst ab ca. 300 n. Chr. aufgrund antiker Einflüsse. Der erste Wein wurde jedoch vermutlich erst 1943 aufgestockt und eingekeltert. Das geht wie die einzige Fremdherrschaft in dieser Geschichte auf die Italiener zurück, die erst besiegt wurden, dann aber wieder kamen und als Unmenschen in Erinnerung blieben.
Zumindest ab diesen Zeiten geht es in Äthiopien bewegter zu, womit der Weinbau zuerst bedeutungslos blieb. Es gab Zeiten, da war dieses Land für Hunger und Elend bekannt. Es scheint sich inzwischen ein Mittelstand gebildet zu haben sowie man auch in Äthiopien dringend Perspektiven sucht. Möglicherweise sind es die Erfahrungen aus den Zeiten der italienischen Einflüsse, mit denen der Weinbau jetzt entdeckt wird. Das Klima in weiten Regionen ist sehr mild, die Böden gut und es gibt genug Regen. Es könnte sogar zweimal im Jahr geerntet werden, was jedoch dem Wein seine Qualität nehmen würde. Shiraz, Merlot, Chardonnay und Sauvingnon wurden neben anderen Weinen aus Frankreich importiert und gedeihen in Äthiopien prächtig. Es wird teils in Edelstahltanks, teils in Holz ausgebaut. Ein Großteil bleibt direkt in Äthiopien, ist jedoch für Normalbürger nicht erschwinglich. Auch in Deutschland kann der ein oder andere Wein aus Äthiopien erworben werden. Es handelt sich noch um etwas Ungewöhnliches, denn wer hat schon in seinem Weinregal eine gute Flasche aus Äthiopien ruhen?
Neben dem Klimawandel ist es in Äthiopien vor allem das Bevölkerungswachstum, welches erschreckend ist. Hungernde Menschen sind für eine Regierung oder die Wirtschaft immerhin unberechenbar. Die Beobachtung zeigt, dass eine Lebensgrundlage sowie Bildung noch immer das beste Mittel gegen Überbevölkerung, Krieg oder gesellschaftliche Tragödien darstellt. Der Wein aus Äthiopien kann schon jetzt im internationalen Vergleich mithalten, schafft Einkommen, Arbeit, Strukturen und damit Zukunft. Wein ist einfach in allen Belangen ein Kulturgut, sogar eines der ältesten der Menschheit. Damit bleibt es abzuwarten, ob aus Äthiopien in der Welt der Weinkenner das neue Südafrika wird. Das Land und die Menschen hätten es zumindest bitter nötig, zukunftsträchtige Perspektiven aufzubauen.
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/stil/essen-und-trinken-wein-made-in-aethiopien-1.3731802