Was darf ein schöner Abend kosten?
Selbst die meisten Weinliebhaber schauen auf die Preise, wenn sie einen guten Tropfen erstehen, da sie immerhin nicht im Geld schwimmen. Wenn bei der jährlich Mitte September stattfindenden Weinauktion „Großer Ring“ eine Flasche Riesling zum Rekordpreis von 12.000 Euro über den Tisch geht, dann scheinen immerhin andere Menschen im Geld zu schwimmen. Es handelte sich um eine Trockenbeerenauslese aus dem Jahrgang 2003 vom Weingut Egon Müller-Scharzhof, welches häufiger von sich mit einem guten Wein hören lässt. Versteigert wurden genau 22 Flaschen zu 0,75 Liter und 36 Flaschen zu 0,375 Liter, die jeweils „nur“ 5.500 Euro kosteten. 462.000 Euro Umsatz, die Provision für den Auktionator beträgt mit 5% 23.100 Euro. Der Normalverdiener kriegt bei diesen Weinpreisen sein Gehalt an einem Wochenende locker durch!
Flaschenpreise von 12.000 Euro sind selbst für diese seltene und erstmals erhältliche Trockenbeerenauslese der Rekord gewesen. Solche Preise sind jedoch die absolute Ausnahme. Die Weinauktion „Großer Ring“ ist durchaus eine erlesene Veranstaltung für ganz besondere deutsche Tropfen, die es zu einem großen Teil nur hier und nur am Auktionstag gibt. Die Bieter stammen aus aller Welt und geben ihre Gebote häufig über einen Kommissionär ab. Dieser bietet im Sinne seiner Auftraggeber und versucht, den Wein so günstig wie möglich zu ersteigern. Neben der Trockenbeerenauslese vom Weingut Egon Müller-Scharzhof wurden rund 13.000 Flaschen versteigert. Der Durchschnittspreis lag hier bei ca. 95 Euro. Auch bei diesen Preisen überlegen die meisten Weinliebhaber sehr genau, ob sie eine Flasche öffnen oder noch ruhen lassen. Je nach Rebsorte reifen die Weine über die Jahre und werden immer wertvoller. Wer die richtigen Tropfen im Weinregal vergisst, freut sich nach Jahren umso mehr über die ausgesuchten Weine. Weiße Sorten eignen sich in der Regel nur für eine kurze Lagerung, bei den roten Rebesorten kann ein guter Wein auch über Jahrzehnte verstauben.
Bei der Trockenbeerenauslese zu 12.000 Euro die Flasche ist davon auszugehen, dass die Käufer sie nicht lange lagern. Menschen mit der etwas anderen Portokasse werden sich einen schönen Abend machen. Wenn denn eine Flasche Trockenbeerenauslese bereits 12.000 Euro kosten darf, was darf dann solch ein schöner Abend kosten? Dem Normalverdiener wird gewiss schwindelig, wenn er für dieses Geld bereits seine Eigentumswohnung abbezahlt hätte.
Guter Wein muss nicht teuer sein und durch den höheren Preis wird es nicht automatisch direkt besserer Wein. Auch bei Flaschenpreisen um 10 bis 20 Euro finden sich sehr gute Tropfen. Wenn jemand 12.000 Euro für eine Flasche Wein ausgibt, dann will er protzen und seinen Status untermauern. Für den schönen Abend reicht es hingegen, die Weinregale mit verschiedenen guten Rebsäften zu füllen. Wer wirklich den ganz besonderen Wein sucht, der sollte sich immer für Mitte September die „Großer Ring“ Weinauktion vormerken.