Untere Einkommensschichten bleiben eher trocken
Die Hochschule Geisenheim schaut sich die deutschen Weintrinker genauer an und erstellte erneut ihre Weinkundenanalyse. Über 1000 Frauen und über 1000 Männer wurden zu ihrem Weinkonsum befragt. Das Ergebnis überrascht teils, lässt sich allerdings auch zu einem gewissen Teil erwarten. Frauen trinken Wein und Sekt, Männer bleiben lieber beim Bier. Damit trinken die Frauen in Deutschland 56% vom verkauften Wein. Knapp 20% der Frauen trinkt wenigstens einmal die Woche Wein oder Bier. Bei den Männern sind es beim Wein nur gute 10%, beim Bier aber fast 70%. Von den Vieltrinkern liegt beim Wein die Altersstufe über 65 Jahren auf dem ersten Platz, beim Sekt liegen die 16 bis 29 jährigen knapp vorne. Unter den regelmäßigen Biertrinkern sind alle Altersstufen in etwa gleichstark vertreten.
Das alles mag naheliegend sein, da Frauen tendenziell sittlicher trinken und deswegen lieber eine Flasche aus dem Weinregal ziehen. Bekannt ist zudem, dass die jüngeren Menschen in Deutschland weniger Wein trinken. Doch die Geisenheimer Weinkundenanalyse 2018/19 fährt mit einem regelrechten Kracher auf: Unter denen, die keinen Wein oder Bier trinken, ist der Anteil innerhalb der Unterschicht prozentual am höchsten! Das genaue Gegenteil hätten vermutlich die meisten Leser erwartet, da die Mittellosen immerhin kein Geld für das schöne Leben haben und sich deswegen doch noch häufiger einfach mit billigem Alkohol zuschütten müssten. Doch es ist ausgerechnet die Oberschicht, die unter den Vieltrinkern bei Wein, Sekt und sogar Bier im prozentualen Anteil die ersten Plätze einnimmt. Wer kein Geld hat, der scheint zumindest beim Wein, Sekt und Bier eher zu den Abstinenzlern zu gehören.
Es sind die älteren Jahrgänge, die häufiger beim Weingut kaufen oder etwas tiefer in die Tasche greifen. Zweidrittel vom Wein gehen beim Discounter oder Lebensmitteleinzelhandel über den Tisch. Nur ein kleiner Teil der Weinkunden kauft zumindest gelegentlich Wein im Internet, dann im Schnitt für 55 Euro pro Bestellung. Doch die Geisenheimer Weinkundenanalyse erklärt, dass die jüngeren Menschen in Deutschland später einmal mehr Wein trinken, womit Social Media und Onlinehandel für den Weinabsatz an Gewicht gewinnen. Worauf diese Prognose fußt, dass die jüngeren Konsumenten später einmal mehr Wein trinken, wird nicht ausgeführt.
Laut der Hochrechnung der Geisenheimer Weinkundenanalyse trinken 43% der Deutschen ab 16 Jahren keinen Alkohol. 14% ziehen sich ihr alkoholisches Getränk regelmäßig aus den Weinregalen und kommen damit auf 64% vom gesamten Weinverbrauch in Deutschland. Die älteren Jahrgänge trinken überwiegend deutsche Weine, die jüngeren wählen zu 50% Importweine. Die Oberschicht zahlt nicht allein etwas mehr für ihren Wein, sie bevorzugt trockenere Weine oder auch Rotweine. Frauen und die jüngeren Weintrinker bleiben häufiger bei süßeren Weinen oder auch Weißweinen. Im Schnitt wird pro Liter Wein 4,99 Euro bezahlt.
Damit spiegelt die Geisenheimer Weinkundenanalyse 2018/19 überwiegend das wider, was bereits bekannt oder vermutet wird und behält dennoch Überraschungen bereit. Die tendenziell häufiger abstinent lebende Unterschicht hätten die meisten wohl kaum erwartet.
Quelle:
https://www.weinkenner.de/kein-aprilscherz-frauen-ueberholen-maenner-beim-weinkonsum/
https://www.hs-geisenheim.de/fileadmin/redaktion/FORSCHUNG/Institut_fuer_Wein-_und_Getraenkewirtschaft/Professur_fuer_Marktforschung/Projekte/Segmentierung/Geisenheimer_Weinkundenanalyse_2018_2019_03_08.pdf